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Die mehrteilige Reihe über Daily Terror stammt aus den Feder von Matt vom englischsprachigen Blog Creases Like Knives – wir haben die Originalartikel mit Erlaubnis von Matt mithilfe von deepl übersetzt. Daher gibt es sicherlich ein paar kleine Fehler. Vielen Dank an Matt für die aufwendige und detaillierte Arbeit und danke, dass wir die deutsche Übersetzung hier veröffentliche dürfen.
Hier gehts zum Originaltext: Part 1 – The punk years 1979-83
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Pedder Teumer wurde in der nordwestdeutschen Stadt Braunschweig geboren und wuchs in einem soliden Arbeiterhaushalt auf: Sein Vater war Gewerkschafter und überzeugter Sozialdemokrat. Den meisten Quellen zufolge wurde er am 10. März 1956 geboren. Das steht im Widerspruch zu Pedders Erinnerung an einen Besuch in London als jugendlicher Austauschschüler im Jahr 1977, wo er den FC Chelsea sah und zum ersten Mal Punkmusik hörte – wenn das Geburtsdatum stimmt, wäre er damals 20 oder 21 Jahre alt gewesen.
Andere Erinnerungen beinhalten das Aufwachsen mit Glam Rock von Bowie bis Slade, dessen Einfluss er in den 90er Jahren bei der Aufnahme deutschsprachiger Coverversionen von „Cum On Feel The Noize“, „Far Far Away“ und dem von Bowie geschriebenen Mott the Hoople-Song „All the Young Dudes“ anerkannte.
1977 kehrte Pedder von seinem Aufenthalt in London nach Hannover zurück, als einer der ersten echten Proletenpunks in Deutschland – ganz in Leder und mit stacheligen Haaren, ganz anders als die Kunststudenten-Punkszene aus Düsseldorf, die zur gleichen Zeit entstand. Anfang 1979 gründete er seine erste Band, die kurzlebigen Bombed Bodies. Ihre heute seltene Kassette enthielt lauten und rudimentären 77er-Punk in deutscher Sprache, darunter die frühen Daily Terror-Texte „Schmutzige Küsse“ und „Knüppedicke Intoleranz“ (aka „Pack“). Es wurde 1982 posthum veröffentlicht und sollte die einzige Aufnahme der Gruppe bleiben.
Die Geschichte seiner zweiten Band Daily Terror beginnt im Jahr 1980. Eine Compilation-EP, Andere Zeiten, hält diese frühe Phase mit Pedder Teumer am Gesang, Ebbi Hild an der Gitarre, Heiko Schünemann am Bass und Frank Dernbach am Schlagzeug fest. Der Titelsong, der im April 1980 auf der Compilation „Hannover Fun Fun Fun“ erstmals zu hören war, war eine Reggae-Punk-Nummer. Im Gefolge von The Ruts und Two Tone war es für jede Punkband obligatorisch, mindestens einen Song in diesem Stil im Repertoire zu haben… ‚Andere Zeiten‘ war 1980 live aufgenommen worden, vermutlich in einem der vielen linksradikalen Hausbesetzungen, die Räume für Punk-Gigs boten, wie zum Beispiel die Braunschweiger Bambule. Wie bei vielen deutschen Punkbands hinterließ diese politisierte Atmosphäre auch in den Texten von Daily Terror ihre Spuren:
„Wenn du anders aussiehst, bist du dran
Wenn du anders denkst, bist du am Arsch
Wir lassen uns ihren Scheiß nicht mehr gefallen
Von nun an schlagen wir zurück
Sie gehen mit harter Hand gegen uns vor
Gegen Linke, Schwule, Hippies und Punks
Sie dulden keinen Dreck in ihrem Staat
Also greifen sie zum Terror“
Mit ähnlichem anarchistischem Elan verkündete ihr von einer Joy-Division-ähnlichen Bassline angetriebener Track „Führer“, der 1981 auf der Kompilation Soundtracks zum Untergang veröffentlicht wurde: „Wir wollen keinen Führer, für uns gibt es keinen Übermenschen“. Und auf ihrer zweiten Single, dem hymnischen „Klartext“, erklärten sie: „Anarchie ist nicht käuflich, ‚keine Macht für niemanden‘ ist mehr als nur ein Slogan – boykottiert den Staat, es gibt genug Gründe“.
1981 unterzeichneten Daily Terror einen Vertrag mit Deutschlands größtem unabhängigen Punk-Label, Aggressive Rockproduktionen (AGR) aus Berlin, das von einem gewieften Ex-Anarchisten namens Karl Walterbach geleitet wurde. Ihr erstes Album Schmutzige Zeiten (1982) bot einfachen, aber melodischen Straßenpunk zwischen den 4-Skins und The Ruts, mit deutschsprachigen Texten, die gegen die Gesellschaft, die Polizei und den Staat wetterten.
Aufgenommen in einer Zeit, in der Punk für Tausende von Jugendlichen eher ein Lebensstil als eine Frisur war, gehört die Platte zu den Klassikern des „Deutschpunk“. Trotz einiger Lückenfüller verstanden es Daily Terror wie kaum eine andere Band, einprägsame Songs zu schreiben, und dank des AGR-Deals wurde Schmutzige Zeiten unter guten Bedingungen aufgenommen. Todesschwadron“, ein Dub-Reggae-Track über die brasilianischen Todesschwadronen, bietet einige erstklassige Basslinien und kann sich mit den besten Bemühungen von The Clash und The Ruts messen. Kleine Biere“ zelebrierte nur halb im Scherz den Alkoholismus – ein Dämon, der Pedder für den Rest seines Lebens begleiten sollte.
Im Gegensatz zu den meisten deutschen Punkbands jener Zeit waren Daily Terror Skinhead-freundlich, und der Einfluss von Oi war auf Schmutzige Zeiten ebenso präsent wie krude anarchoide Parolen. Skinheads waren in Deutschland erst ein paar Jahre zuvor aufgetaucht. In Großstädten wie Berlin, Hamburg und Frankfurt waren sie mehrheitlich rechtsorientiert – obwohl sie „Nazis“ nur in demselben Sinne waren wie Punks „Anarchisten“ – und ihr Verhältnis zu Punks war angespannt und oft gewalttätig. Nicht so in Braunschweig und im benachbarten Hannover, wo die Skinheads zumindest vorerst unpolitisch blieben und sich die beiden Jugendsekten recht gut verstanden. Die Fotocollage auf der Rückseite der „Schmutzigen Zeiten“ enthielt ein Bild mit der Überschrift „einige Freunde“: eine Gruppe junger Männer, die etwas trugen, was man diplomatisch als eine frühe lokale Interpretation von „Skinhead-Klamotten“ bezeichnen könnte.
1983 erscheinen zwei neue Daily Terror-Tracks auf der Compilation Keine Experimente: das poppige „Leichenberg“ und der Quasi-Hardcore „Ein Kessel buntes“. Im selben Jahr folgte der Höhepunkt ihrer bisherigen Karriere: ein Live-Auftritt beim zweiten Punk-Treffen „Chaostage“ in Hannover.
Die von der lokalen Punk-/Skin-Szene als landesweites „Einheitstreffen“ von Punks und Skinheads organisierte Veranstaltung – auf den Flugblättern wurde „Oi Oi Oi statt Sieg Heil“ gefordert – zog über 1000 Besucher an, artete aber bald in massenhafte Gewalt zwischen Punks und Skinheads aus.
(TV Doku) CHAOSTAGE in Hannover 1983
Je nachdem, wessen Bericht man liest, sind die Gründe, warum die Dinge aus dem Ruder liefen, recht unterschiedlich. Zum einen war die Anwesenheit von „Nazi-Skin“-Kontingenten aus Berlin und Hamburg nicht gerade förderlich. Zum anderen wurde bei dem Massentreffen die Degeneration der deutschen Punk-Subkultur deutlich: Die Heroinsucht hatte überhand genommen, und viele „Hardcore-Punks“ glichen inzwischen eher Landstreichern, die um Kleingeld bettelten, wenn sie nicht gerade in ihrer eigenen Kotze umkippten.
Die Differenzen hatten wohl mehr mit Ästhetik als mit Politik zu tun: In den folgenden Kämpfen schlossen sich unpolitische Croptops mit einer lautstarken Minderheit rechtsextremer Skins zusammen, um eine „Skinhead-Einheit“ zu bilden. Auch für viele alteingesessene Punks war die Massenansammlung von drogensüchtigen Zombies der letzte Strohhalm. Viele Punks wurden zu Skinheads – darunter Pedder von Daily Terror.
Teil 1 – Die Punkjahre 1979-83
Teil 3 – Emotionen, Härte, Alkohol
Teil 4 – Auf einer aussichtslosen Mission
Teil 5 – Das Spiel mit dem Feuer
Teil 7 – Bis zum bitteren Ende – demnächst!
Text: Matt Crombieboy