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Die mehrteilige Reihe über Daily Terror stammt aus den Feder von Matt vom englischsprachigen Blog Creases Like Knives – wir haben die Originalartikel mit Erlaubnis von Matt mithilfe von deepl übersetzt. Daher gibt es sicherlich ein paar kleine Fehler. Vielen Dank an Matt für die aufwendige und detaillierte Arbeit und danke, dass wir die deutsche Übersetzung hier veröffentliche dürfen.
Hier gehts zum Originaltext: Part 2 – Transformation
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1984 befand sich der deutsche Punk auf dem absteigenden Ast. Daily Terrors zweiter Longplayer Aufrecht, der im Februar erschien, war eines der wenigen Deutschpunk-Alben, die in diesem Jahr herauskamen. Als später Klassiker des Genres übertraf Aufrecht das Debüt um Längen: In diesem Fall traf das Band-Interview-Klischee „härter und schneller, aber auch melodiöser“ zu. Allerdings wirkten einige der in den Grooves enthaltenen Gefühle nun seltsam deplatziert. In „Zusammen zuschlagen“ plädiert die Band für den Zusammenhalt von Punks und Skinheads und verpackt ihre Botschaft in linke Rhetorik: Punks und Skins müssen „eine Einheitsfront bilden“ gegen die staatlichen Kräfte, die darauf aus sind, „die Massen zu spalten“:
Es gibt so viele von uns, wir haben Macht
Aber wenn du allein bist, lachen sie dich nur aus
Also hört auf mit eurem Gezänk
Und macht euch bereit, gemeinsam zuzuschlagen
In einem Interview mit einer Lokalzeitung erklärte Pedder in jenem Jahr, dass der Song durch ein schlimmes Erlebnis in Wuppertal inspiriert wurde, wo Gitarrist Ebbie vor der Show von einer Horde Skinheads ins Krankenhaus eingeliefert worden war. Seiner Meinung nach wurden die Feindseligkeiten zwischen Punks und Skins durch die Medien angeheizt, und eines der Ziele der Band war es, diese zu verringern: „Wir haben doch alle die gleichen Probleme mit der Arbeitslosigkeit, der sterbenden Umwelt und all dem anderen Mist, deshalb haben wir auf dem Punk- und Skinvereinigungstreffen in Hannover gespielt. Die Scharmützel, die dort stattgefunden haben, sind eindeutig die Schuld der Nazi-Skins und der Polizei“.
Doch dafür war es viel zu spät: Das „Einheits“-Treffen in Hannover hatte nur eines erreicht: Einigkeit unter Skinheads – gegen Punks. Und das anschließende „Chaostage“-Treffen im August 1984 endet erneut in einem Wochenende gewalttätiger Auseinandersetzungen: Den verwaschenen Überresten einer drogengeschwängerten Gossenpunk-Gegenkultur steht ein Großaufgebot an rechten Skins und Fußball-Hooligans gegenüber, die diesmal extra zum Punk-Bashing nach Hannover gereist sind.
1984 befand sich der deutsche Punk auf dem absteigenden Ast. Daily Terrors zweiter Longplayer Aufrecht, der im Februar erschien, war eines der wenigen Deutschpunk-Alben, die in diesem Jahr herauskamen. Als später Klassiker des Genres übertraf Aufrecht das Debüt um Längen: In diesem Fall traf das Band-Interview-Klischee „härter und schneller, aber auch melodiöser“ zu. Allerdings wirkten einige der in den Grooves enthaltenen Gefühle nun seltsam deplatziert. In „Zusammen zuschlagen“ plädiert die Band für den Zusammenhalt von Punks und Skinheads und verpackt ihre Botschaft in linke Rhetorik: Punks und Skins müssen „eine Einheitsfront bilden“ gegen die staatlichen Kräfte, die darauf aus sind, „die Massen zu spalten“:
Es gibt so viele von uns, wir haben Macht
Aber wenn du allein bist, lachen sie dich nur aus
Also hört auf mit eurem Gezänk
Und macht euch bereit, gemeinsam zuzuschlagen
In einem Interview mit einer Lokalzeitung erklärte Pedder in jenem Jahr, dass der Song durch ein schlimmes Erlebnis in Wuppertal inspiriert wurde, wo Gitarrist Ebbie vor der Show von einer Horde Skinheads ins Krankenhaus eingeliefert worden war. Seiner Meinung nach wurden die Feindseligkeiten zwischen Punks und Skins durch die Medien angeheizt, und eines der Ziele der Band war es, diese zu verringern: „Wir haben doch alle die gleichen Probleme mit der Arbeitslosigkeit, der sterbenden Umwelt und all dem anderen Mist, deshalb haben wir auf dem Punk- und Skinvereinigungstreffen in Hannover gespielt. Die Scharmützel, die dort stattgefunden haben, sind eindeutig die Schuld der Nazi-Skins und der Polizei“.
Doch dafür war es viel zu spät: Das „Einheits“-Treffen in Hannover hatte nur eines erreicht: Einigkeit unter Skinheads – gegen Punks. Und das anschließende „Chaostage“-Treffen im August 1984 endet erneut in einem Wochenende gewalttätiger Auseinandersetzungen: Den verwaschenen Überresten einer drogengeschwängerten Gossenpunk-Gegenkultur steht ein Großaufgebot an rechten Skins und Fußball-Hooligans gegenüber, die diesmal extra zum Punk-Bashing nach Hannover gereist sind.
Der Titeltrack „Aufrecht“ ist von ähnlich romantischen „Wir gegen die Welt“-Gefühlen durchdrungen. Der Countdown läuft“ – eine weitere Hymne – wettert gegen Nazirichter“ und wünscht sich den Untergang des westdeutschen Staates; Bundeswehr“ ist antimilitaristisch, und Armes Schwein“ spottet über einen Ex-Punk, der sich für eine bürgerliche Bürokarriere verkauft“ hat.
An anderer Stelle schleicht sich jedoch Skinhead-Interesse ein: Das Cockney Rejects-ähnliche ‚Schluckspechte‘ – ein Lied, das nach Pedders örtlicher Fußballfirma benannt ist – feiert die Freuden der Terrassengewalt: „Die Nordkurve ist nicht weit weg, und wir sind immer bereit, einzumarschieren, wir gehen auf eine totale Fußball-Randale, wir mögen es echt, wir sind Schluckspechte“. In einem Interview prahlte Pedder: „Wir sind der einzige Fußball-Fanclub, der jetzt seine eigene Hymne hat“. Auf die Frage, ob es rechte Tendenzen im Verein gäbe, antwortete er: „Nein. Es stimmt zwar, dass gewisse Äußerlichkeiten solche Spekulationen zulassen, aber die Leute sollten endlich aufhören, ein Buch nach seinem Umschlag zu beurteilen.“
Auf dem Titelbild sieht man Pedder mit einer Gerte mit der Nummer vier, einem Specials-T-Shirt, einem FC-Braunschweig-Fußballschal, einer schwarzen Trucker-Jacke, einer schwarzen Jeans mit Umschlägen und schwarzen Dr. Martens mit 11 Augen – ein eindeutiger Hinweis auf einen Skinhead, wenn auch von der monochromen, punkigen Sorte.
Besonders interessant ist der Track „Hinterlist“, den manche im Nachhinein als Vorbote einer ideologischen Wende deuten könnten. Der eindringliche Punk-Reggae-Song, vielleicht der beste Song von Daily Terror, beschreibt das Massaker von Sabra und Shatila von 1982 an palästinensischen Männern, Frauen und Kindern in einem libanesischen Flüchtlingslager, die alle posthum von der israelischen Regierung als „Terroristen“ bezeichnet wurden. So weit, so richtig – doch dann kommt die dritte Strophe ins Spiel:
Sie haben ihren Kredit für den Holocaust längst verspielt
Sie haben sich zu lange auf unser Mitleid verlassen
Wenn Massenmord ihre Politik ist
Dann ist die explosive Rache nur fair
Es mag einen Aufruhr verursachen, aber so ist es nun mal
Es ist die PLO, die eine offene Rechnung begleicht
Sie haben „ihren“ Holocaust-Kredit verspielt? „Sie“ können nicht mehr auf unser Mitleid zählen? Wer sind sie – und wer sind wir? Wo auch immer man in der Palästina-Israel-Frage steht, das israelische Regime mit den Opfern des Holocausts in einen Topf zu werfen, ist töricht (auch wenn das Regime selbst bewusst seinen Teil zu diesem Missverständnis beiträgt). Man sollte von Punksongs nicht zu viel Nuancierung erwarten, aber Pedder scheint hier in potenziell zweifelhaftes Terrain abzugleiten.
Im Punk-Lager, wo krude Texte an der Tagesordnung waren, erregte der Song kein Aufsehen – aber die dritte Strophe war zweideutig genug, um anderswo einen besonderen Nerv zu treffen. Zwei Jahre später bewunderte das nationalistische deutsche Skinzine Force of Hate immer noch Pedders „Mut“ und lobte insbesondere „die Tatsache, dass er sich nicht scheute zu sagen, ’sie haben ihren Holocaust-Kredit längst verspielt'“ (FoH #4, 1986).
Ein erschreckendes Detail: Das melodische Hauptthema von „Hinterlist“ stammt aus Walter Kubiczeks Soundtrack für die ostdeutsche Fernsehserie „Das Licht der schwarzen Kerze“ aus dem Jahr 1972, ohne dass dies den meisten Hörern bekannt ist. Die auf einem Roman von Wolfgang Heald basierende Geschichte handelt von einem kommunistischen Spion, der während des spanischen Bürgerkriegs 1937 eine deutsche Militärdivision infiltriert. Der Protagonist gelangt in den Besitz einer geheimen Nervengasformel, die von der IG Farben entwickelt wurde, dem Unternehmen, das später Zyklon B für die Todeslager der Nazis liefern sollte. Man kann nur hoffen, dass die Wahl der Musik ein Zufall war und nicht eine versteckte Botschaft.
Auf jeden Fall sprach sich Pedders Veränderung herum. Nicht „Hinterlist“ war der Stein des Anstoßes, sondern die Tatsache, dass er nun ein Skinhead war und mit anderen Skins und Hooligans zum Fußball ging, darunter – entgegen seinen Beteuerungen – auch mit rechten. Ebbi Hild, bis Ende 1984 Gitarrist bei Daily Terror, meint dazu: „Ich nehme an, Punk war ihm einfach nicht mehr provokant genug. Skinheads schockierten ihn mehr“. Trotzdem stand auf der Rückseite des Covers des Albums Aufrecht: „Grüße an alle Punks und Skins, außer den Fash“.
In Interviews mit Force of Hate äußerte sich Pedder später: „Meine Einstellung zur Punkszene hatte sich zu diesem Zeitpunkt geändert. Ich war wegen meines Engagements beim Fußball und den zahlreichen Daily Terror-Gigs, die sie besuchten, immer mit Skinheads befreundet gewesen, und mein Wechsel vom Punk zum Skinhead zeichnete sich bereits ab.“
„Unsere Probleme begannen“, fuhr er fort, „als bestimmte Kreise erfuhren, dass ich mir den Kopf rasiert hatte. Es ging so weit, dass die Veranstalter anonyme Drohungen erhielten und unsere Auftritte in letzter Minute absagen mussten“ (FoH #6, 1986). Ende 1984 hatten Pedders Bandkollegen die Nase voll von all dem. Ironischerweise kündigten sie kurz nach einer ausverkauften Show in Braunschweigs geräumigem Jolly Joker Club, wo Daily Terror die Major-Label-Punkband Die Toten Hosen vor 2.500 Zuschauern unterstützen durften. Pedder war auf sich allein gestellt.
Teil 1 – Die Punkjahre 1979-83
Teil 3 – Emotionen, Härte, Alkohol
Teil 4 – Auf einer aussichtslosen Mission
Teil 5 – Das Spiel mit dem Feuer
Teil 7 – Bis zum bitteren Ende – demnächst!
Text: Matt Crombieboy